Prozesse gegen FeldbefreierInnen am Amtsgericht Kitzingen

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Einstweilige Verfügung

Juni 2008






Im Vorfeld des gentechnikfreien Wochenendes in Unterfranken erhält der Gendreck-weg-Aktivist Micha Grolm eine einstweilige Verfügung, in der ihm untersagt wird, die Genmais-Felder zu betreten. Bei einem Verstoß gegen diese Verfügung droht ihm die Verhängung einer Ordnungsstrafe bis zu 250.000 €. Zusätzlich zu der zeitlich befristeten Verfügung will der verantwortliche Genmais-Landwirt Micha zum Ablegen einer Erklärung verpflichten, dass er die entsprechenden Felder auch in den Folgejahren nicht betreten wird.

Mai 2009




Am 11. Mai findet die erste Verhandlung am Amtsgericht Würzburg statt. Es geht dabei hauptsächlich um die Frage, ob angesichts des MON810-Verbots ein Betretungsverbot für die entsprechenden Felder auch für die Folgejahre verhängt werden kann. Sollte das nicht der Fall sein, wird die Klage im Juni abgewiesen.

Hintergründe der Verfahren

Freiwillige Feldbefreiung bei Kitzingen 2008: 55 Festnahmen

Juni 2008 Während des gentechnikfreien Camps in Mainstockheim bei Kitzingen (Unterfranken) gelingt es über 60 AktivistInnen, am frühen Morgen des 29. Juni auf ein Feld zu gelangen, auf dem bereits gentechnisch veränderter Mais der Linie MON810 wächst. Es gelingt ihnen, das ca. ein Hektar große Feld komplett unschädlich zu machen; ein Teil der Pflanzen wird dabei durch mitgebrachten Bantam-Mais ersetzt. 55 Menschen werden daraufhin festgenommen; sie müssen nun mit Gerichtsverfahren wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch rechnen.
Oktober 2008 Bereits dreieinhalb Monate nach der Feldbefreiung hat die Staatsanwaltschaft Würzburg damit begonnen, den Teilnehmer_innen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mitzuteilen. Der Tatvorwurf lautet dabei "gemeinschaftliche Sachbeschädigung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch" (§ 303 Abs. 1, 303c, 123, 25 Abs. 2, 52 StGB); der durch die Feldbefreiung verursachte Sachschaden wird auf ca. 1500 € beziffert. Gleichzeitig bietet die Staatsanwaltschaft den Betroffenen an, das Ermittlungsverfahren einzustellen. Dazu soll eine Geldspende an eine gemeinnützige Einrichtung geleistet werden, der geforderte Geldbetrag beträgt 200 € für Jugendliche unter 18 Jahren, 250 € für 18-21Jährige und 400 € für Erwachsene über 21 Jahren.
November 2008 Die Staatsanwalt Würzburg verschickt den ersten Strafbefehl an einen einschlägig vorbestraften "Wiederholungstäter", das Strafmaß beträgt 30 Tagessätze à 20 €. Neu an diesem Strafbefehl ist, dass er nicht nur den Straftatbestand der Sachbeschädigung( §303 StGB), sondern auch des Hausfriedensbruchs (§123 StGB) beinhaltet.
Anfang 2009 Zahlreiche weitere Feldbefreier/innen erhalten ihren Strafbefehl; ihnen wird Sachbeschädigung (§303 StGB) in Verbindung mit Hausfriedensbruch (§123 StGB) vorgeworfen. Das Strafmaß beträgt 20 Tagessätze für "Ersttäter/innen" und 30 Tagessätze für "Wiederholungstäter/innen", die Höhe der Tagessätze liegt zwischen 15 und 50 Euro.
Juli 2009 Die ersten Prozesse gegen die FeldbefreierInnen finden statt. Den Auftakt machten Erasmus Müller und Cécile Lecomte, die vom Amtsgericht Kitzingen am zweiten Verhandlungstag wegen Sachbeschädigung verurteilt werden. Der Richter wollte auf eine rechtfertigende Gefahrensituation zu keiner Zeit eingehen und lehnte auch alle Beweisanträge ab, da sie für das Verfahren unerheblich seien. Beide Angeklagten wurden zu 45 Tagessätzen verurteilt - mehr als der Strafbefehl vorgesehen hatte. In der Urteilsbegründung betonte der Richter, dass die Beklagten vorsätzlich diese Sachbeschädigung begangen hätten. Sie hätten öffentliches Aufsehen erregen wollen und erschienen ihm unbelehrbar. Einen Notstand sah er nicht gegeben, weil die Pflanzen zu diesem Zeitpunkt keinerlei Gefahr darstellten. Die angeführten Gründe für den Notstand seien zudem zu weit von persönlichen Rechtsgütern der Beklagten entfernt. Die Beklagten hätten auch nicht alle Möglichkeiten, gegen den Anbau von Genmais vorzugehen ausgeschöpft. Eine Feldbefreiung sei zudem kein erfolgversprechendes Mittel, um die möglichen Gefahren von Genmais abzuwenden, da ja unmöglich alle Felder zerstört werden könnten.
Zu den Pressemitteilungen der ersten Verhandlungstage geht es hier.
August/
September 2009
Vier weitere Prozesse mit je 1 bis 4 Angeklagten finden statt. Der Richter achtet streng auf die Einhaltung von Formalia (wie z.B. Aufstehen im Gerichtssaal), läßt die Angeklagten meist so lange reden, wie sie wollen - ohne aber wirklich zuzuhören. Er behandelt die Feldbefreiung als kriminelle Tat, bei der strafverschärfend berücksichtigt werden muß, wenn der Täter/die Täterin die eigene Tat positiv bewertet. So kommt es, daß "ErsttäterInnen" zu 30 Tagessätzen verurteilt werden. WiederholungstäterInnen bekommen einen Aufschlag von 15 Tagessätzen und wer das Gericht durch "unbotmäßiges Verhalten" ärgert bekommt einen weiteren Aufschlag.
Begleitet werden die Prozesse jeweils von Aktionen in der Stadt. Die regionale Presse berichtet ausführlich darüber. Bei einem öffentlichen "Prozeß" auf dem Kitzinger Marktplatz werden kurzerhand Zuschauer und Besucher eines Straßencafes zu Schöffen erklärt. "Richter" Holger Isabelle Jänicke kann im Namen des Volkes den bisher einzigen Freispruch verkünden, der allerdings nicht rechtswirksam ist.
November 2009 Beim Prozess gegen die Feldbefreier Stefan Mühl, Mathias John und Michael Pflugrath am 30. November kommt es zu einer Eskalation im Amtsgericht Kitzingen: Der vorsitzende Richter fordert polizeiliche Verstärkung an und lässt den Saal räumen. Alle Zuschauer/innen müssen das Gerichtsgebäude verlassen und ihre Personalien abgeben.
Hier geht es zum Augenzeugenbericht einer Zuschauerin.
Ende 2009 Die Bilanz am Jahresende: Es gab acht Prozesse mit jeweils 1 bis 4 Angeklagten. Der Richter achtete streng auf die Einhaltung von Formalia (wie z.B. Aufstehen im Gerichtssaal), und behandelte die Feldbefreiung als kriminelle Tat, bei der strafverschärfend berücksichtigt wurde, wenn der Täter oder die Täterin die eigene Tat positiv bewertete. Wer das Gericht durch "unbotmäßiges Verhalten" ärgerte, bekam einen weiteren Aufschlag. Die Strafhöhen lagen zwischen 25 Tagessätzen und 45 Tagessätzen, in manchen Fällen lag die Verurteilung somit über dem im Strafbefehl veranschlagten Strafmaß. Die Verurteilten zeigten sich schockiert über die hohen Strafen; viele legten Berufung ein.
April 2010 Drei weitere der beteiligten FeldbefreierInnen werden am Amtsgericht Kitzingen zu jeweils 20, 25 und 30 Tagessätzen verurteilt. Die Angeklagten beriefen sich auf den § 34 StGB, um die Feldbefreiung als einen rechtfertigenden Notstand zu legitimieren. Richter und Staatsanwalt wiesen diese Argumentation kategorisch zurück. „Beweisanträge wurden mit der Begründung abgelehnt, dass kein Notstand vorlag und keine unmittelbare Gefahr von den Maispflanzen ausging. Ohne jeglichen Beweis wurde durch das Gericht eine naturwissenschaftliche Beurteilung vorweggenommen, die überhaupt erst durch die Annahme der Beweisanträge hätte getroffen werden können.“ sagt die Angeklagte.
Juli 2010 Die Verhandlungen in erster Instanz sind beendet. Alle 39 FeldbefreierInnen, die in Kitzingen vor Gericht standen, wurden wegen Sachbeschädigung verurteilt; das Strafmaß lag zwischen 20 und 70 (!!) Tagessätzen.
Auch zwei Berufungsurteile gibt es bereits: Die Aktivistin Cécile Lecomte wurde zu 45 Tagessätzen à 15 Euro verurteilt, ein weiterer Aktivist zu 20 Tagessätzen à 9 Euro.

Juli: Beginn der Prozesse gegen FeldbefreierInnen von 2008

Am 20. Juli begann vor dem Amtsgericht Kitzingen die Prozess-Serie gegen die Feldbefreierinnen und Feldbefreier des Sommers 2008. Den Auftakt machten Erasmus Müller und Cécile Lecomte, die an der Feldbefreiung 2008 beteiligt waren. Gemeinsam mit etwa 60 weiteren AktivistInnen wurde damals ein Genmaisfeld in der Nähe von Kitzingen unschädlich gemacht. Am ersten Tag gab es noch kein Urteil, erst am 22. Juli wurden schließlich beide zu 45 Tagessätzen verurteilt - von einem Richter, der auf eine rechtfertigende Gefahrensituation zu keiner Zeit eingehen wollte.

Zu den Presseinfos vom 21. und 23. Juli

Arbeitgeber Naturstrom AG unterstützt Feldbefreier

Einer der Angeklagten war Lars Lange. Zu seiner Verhandlung am 31. August brachte er ein mehrseitiges Schreiben seines Arbeitgebers Naturstrom AG mit, in dem sich der Betrieb solidarisch mit dem Angeklagten erklärt. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Banning: „Lars Lange und seine Mitstreiter haben also nur vorweggenommen, was heute gesetzlich verankert ist. Wir meinen, dafür darf er nicht bestraft werden.“ Amtsrichter Betz folgte diesem Appell jedoch nicht; er verurteilte den Feldbefreier zu 30 Tagessätzen zu jeweils 60 Euro.

Zur Presseinfo vom 1. September

Zur Stellungnahme von Naturstrom (externer Link)



30. November: Eskalation beim Prozess gegen Feldbefreier in Kitzingen

Beim letzten Prozess dieses Jahres zeigte der vorsitzende Richter Nerven und ließ den Saal unter Polizeieinsatz räumen. Ein Bericht zu dieser unangemessenen Aktion findet sich hier

Vorweihnachtsstimmung im Kitzinger Amtsgericht?

Die Bilanz am Ende des Jahres

Es gab acht Prozesse mit jeweils 1 bis 4 Angeklagten. Der Richter achtete streng auf die Einhaltung von Formalia (wie z.B. Aufstehen im Gerichtssaal), und behandelte die Feldbefreiung als kriminelle Tat, bei der strafverschärfend berücksichtigt wurde, wenn der Täter oder die Täterin die eigene Tat positiv bewertete. Wer das Gericht durch "unbotmäßiges Verhalten" ärgerte, bekam einen weiteren Aufschlag. Die Strafhöhen lagen zwischen 25 Tagessätzen und 45 Tagessätzen, in manchen Fällen lag die Verurteilung somit über dem im Strafbefehl veranschlagten Strafmaß.

Begleitet wurden die Prozesse jeweils von Aktionen in der Stadt. So wurde beispielsweise auf dem Marktplatz Popcorn verschenkt - die Beschenkten mussten sich jedoch vertraglich verpflichten, künftig nur noch die imaginäre Marke „Popup Ready“ beim Konzern zu kaufen. Mit dieser Aktion sollte auf das Verhalten der Gentechnikkonzerne gegenüber den LandwirtInnen angespielt werden: Mit Hilfe ihrer Marktmacht und ihres Einflusses auf Behörden zwingen Gentechnik-Konzerne immer mehr BäuerInnen in Knebelverträge. Außerdem gab es einen öffentlichen "Prozess" auf dem Kitzinger Marktplatz, bei dem kurzerhand Zuschauer und Besucher eines Straßencafes zu Schöffen erklärt wurden. "Richter" Holger Isabelle Jänicke konnte im Namen des Volkes den bisher einzigen Freispruch verkünden, der allerdings nicht rechtswirksam ist.

Die regionale Presse berichtete ausführlich über die Prozesse sowie die begleitenden Aktionen.

Die Verurteilten zeigten sich schockiert über die hohen Strafen; viele legten Berufung ein.


Wie geht es weiter?

Einige Feldbefreier/innen warten noch auf ihren Prozesstermin. Der nächste uns bekannte Verhandlungstermin ist der 22. Februar.

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